Immer online – und trotzdem nicht weiter?

In einer Welt, in der ständig neue Nachrichten aufpoppen, Termine verschoben und Deadlines nachjustiert werden, ist es zur Normalität geworden, vieles gleichzeitig zu tun – oder es zumindest zu versuchen. Multitasking wirkt effizient, dynamisch und zeitgemäß. Aber dieser Eindruck täuscht. Tatsächlich ist unser Gehirn gar nicht in der Lage, mehrere komplexe Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Was wir erleben, ist schnelles Task-Switching – und das kostet Zeit, Energie und Konzentration. In diesem Artikel werfen wir einen Blick hinter den Mythos Multitasking, beleuchten die Folgen ständiger digitaler Reizüberflutung – und zeigen Alternativen, wie echte Konzentration wieder gelingen kann.

Multitasking – ein moderner Irrtum

Was viele darunter verstehen

Multitasking klingt nach Effizienz: Schreiben, hören, reden – alles gleichzeitig. In Wahrheit ist Multitasking meist nur das schnelle Wechseln zwischen Aufgaben. Unser Gehirn kann keine zwei anspruchsvollen Tätigkeiten gleichzeitig durchführen, es muss sich jedes Mal neu orientieren. Das bedeutet: Jedes Mal, wenn wir von einer Mail zur Präsentation und zurück zum Chat springen, geht Fokus verloren.

Die kognitive Realität

Neurowissenschaftlich ist klar: Beim sogenannten „Multitasking“ handelt es sich um kontextuelles Umschalten, nicht um echte Parallelverarbeitung. Diese ständigen Wechsel erfordern Energie – nicht nur mental, sondern auch biologisch. Das Resultat: geringere Effizienz, mehr Fehler, höhere Erschöpfung.

Digitale Reizüberflutung als Produktivitätsfalle

Was unsere Aufmerksamkeit zersplittert

Push-Nachrichten, kurze Nachrichten über drei Plattformen, Anrufe zwischendrin – unser Alltag ist geprägt von Mini-Interrupts. Jedes kleine Signal reißt uns aus dem Denken. Die Folge: unser Arbeitstag wird in Sekundenbruchteile zerschnitten.

Dopamin und die Sucht nach Neuem

Neu eingehende Informationen – eine Nachricht, ein Like, ein Update – triggern das Belohnungssystem unseres Gehirns. Kurzfristig erzeugt das ein gutes Gefühl. Langfristig aber trainieren wir uns selbst auf Ablenkung. Konzentration fühlt sich im Vergleich „langweilig“ an. Das verstärkt ein Muster, das uns im Alltag immer wieder zur Abwechslung zwingt – und genau das hemmt echte Produktivität.

Weiterlesen ↗︎: Wie sich Informationsflut in ganzen Organisationen auswirkt, zeigen wir im Beitrag „Digitale Überlastung, Tool-Wildwuchs & ständige Erreichbarkeit“.

Die Folgen im Arbeitsalltag und privat

Konzentrationsverlust am Arbeitsplatz

Meetings, Slack, Zoom, E-Mail, Telefon – oft alles innerhalb einer Stunde. Mitarbeitende fühlen sich „busy“, aber erledigen in Wahrheit wenig wirklich Substanzielles. Viele Unternehmen unterschätzen die Kosten solcher Dauerablenkung.

Überforderung bei Selbstständigen

Gerade Unternehmer\:innen und Solo-Selbstständige geraten in einen Sog: Kundenkontakt, Rechnungen, Social Media, eigene Projekte – alles scheint gleich wichtig. Ohne klare Struktur verlieren viele ihren Fokus und damit auch ihre Kraft.

Belastung im Familienalltag

Auch im privaten Bereich herrscht häufig Reizüberflutung: Eltern im Homeoffice, Kinder im Homeschooling, gleichzeitig WhatsApp-Gruppen und die To-do-Liste. Der Alltag fühlt sich oft wie ein Dauerlauf an – ohne Pause.

Monotasking lernen: Methoden für mehr Fokus

Monotasking statt Multitasking

Die Lösung ist einfach, aber nicht leicht: Eine Sache zurzeit. Wenn wir uns gezielt nur auf eine Aufgabe konzentrieren, steigt die Qualität unserer Arbeit – und unsere mentale Energie bleibt erhalten.

Methoden für mehr Fokus

  • Timeboxing: Bestimmte Zeitblöcke werden fest für eine Aufgabe reserviert. In dieser Zeit sind Ablenkungen tabu.
  • Pomodoro-Technik: 25 Minuten fokussierte Arbeit, dann 5 Minuten Pause. Klingt simpel – ist aber hochwirksam.
  • Deep Work: Längere Phasen tiefen Arbeitens ohne Unterbrechung. Vor allem für kreative oder strategische Aufgaben essenziell.
  • App-Blocker & Konzentrationshilfen: Tools wie „Freedom“, „Forest“ oder „RescueTime“ helfen, Ablenkungen aktiv zu unterbinden.

Kommunikation klären

Ein Schlüssel liegt in klarer Kommunikation: Wer Kollegen oder Kunden mitteilt, wann man erreichbar ist – und wann nicht –, schafft Raum für ungestörte Arbeit. Klare Regeln statt ständige Reaktionspflicht.

Tiefer einsteigen ↗︎: Praxisbeispiele für digitale Ruhephasen findest du im Artikel „Digital Detox im Job: Wunsch oder Wirklichkeit?“.

Gesellschaftlich gewollt – aber schädlich

Always-On als Statussymbol?

Erreichbar zu sein gilt in vielen Branchen als Zeichen von Engagement. Wer spät Mails beantwortet oder sonntags reagiert, wirkt engagiert – doch das ist oft nur Fassade. Langfristig schadet diese Kultur nicht nur der Gesundheit, sondern auch der Produktivität.

Was Unternehmen tun können

Führungskräfte und Organisationen haben die Möglichkeit, Rahmenbedingungen für fokussiertes Arbeiten zu schaffen: etwa durch Fokuszeiten, Meeting-freie Tage oder klare Kommunikationsregeln. So entsteht eine Kultur, in der Qualität vor Reaktionsschnelligkeit steht.

Fazit: Weniger ist mehr – besonders im Kopf

Multitasking ist ein hartnäckiger Mythos – und eine Produktivitätsfalle. Dauerhafte Erreichbarkeit führt nicht zu besseren Ergebnissen, sondern zu Fragmentierung, Stress und Erschöpfung.

Warum Multitasking nicht funktioniert? Weil unser Gehirn nicht dafür gebaut ist. Wer wieder lernt, Monotasking zu praktizieren, merkt schnell: Weniger Ablenkung = mehr Klarheit.

Der erste Schritt? Push-Benachrichtigungen aus. Aufmerksamkeit an.